Zahlen und Fakten
Facettenreich und widersprüchlich offenbart sich dem Fremden Kenia, die
prähistorische Wiege der Menschheit. Einst gelobtes Land weißer
Siedler, ist es heute das verfluchte Land eines verarmten Proletariats.
Kenia bedeutet Elend der Slums vor den Fassaden des Reichtums in den
Städten und der Kulisse von Industrie und Großplantagen in den
übervölkerten Hochlandgebieten und an der Küste, ethnisches Chaos,
Reservate steinzeitlicher Nomadensippen mit den geheimnisvollen Kulten
animistischer Naturreligionen und die puritanische Rechtschaffenheit
der britischen Siedler.
Kenia ist auf Grund seiner
landschaftlichen Vielfalt und mannigfaltigen Pflanzen- und Tierwelt
aber auch eines der meistbesuchten Ferienländer Afrikas. Es ist der
Schutzraum aussterbender Tierarten, Großwildparadies in einer
einzigartigen Naturlandschaft, ein Land mit Ehrfurcht gebietender Weite
der leeren Halbwüsten und Trockensavannen, mit grünem Hochland und
tropischem Regenwald, mit Vulkankegeln und den ewig schneebedeckten
Gipfeln des Mount Kenya, mit riesigen Binnenseen, deren Oberfläche sich
wie beim Nakurusee rosa färbt, wenn Millionen von Flamingos dort
einfallen, und mit tropischen Traumstränden am Indischen Ozean, die zu
den schönsten der Welt gerechnet werden.
Natur und Landschaft
Kenia liegt in den inneren Tropen Ostafrikas beiderseits des Äquators
und erstreckt sich von den Trockengebieten im Norden bis zu dem von
Vulkanen gekrönten Hochland im Südwesten, dem "Dach Afrikas". Der
schmale Küstenstreifen am Indischen Ozean ist fruchtbar und gut
beregnet. Die Landwirtschaft hat den einstigen Regenwald verdrängt.
Diese dicht besiedelte Region ist aber auch ein wichtiger
Industriestandort des Landes und Zentrum des internationalen
Badetourismus. Dem sandigen Ufersaum sind Korallenriffe vorgelagert,
deren schillernde Artenvielfalt man im Unterwasser-Nationalpark von
Malindi bewundern kann. Diese Stadt atmet noch arabische Geschichte -
wie Mombasa, deren orientalische Altstadt in wirkungsvollem Kontrast
zur Geschäftigkeit des modernen Tiefseehafens und der großstädtischen
City steht.
Von der flachen Küstenniederung steigt das Land in
weitläufigen Ebenen und Plateaus nach Westen allmählich zum Hochland
an, das von dem nord-südlich verlaufenden Ostafrikanischen Graben
durchzogen wird. Teils noch aktive Vulkanmassive sowie mächtige Lava-
und Tuffdecken verleihen der Landschaft ihren besonderen Reiz. Und über
allem erheben sich die vergletscherten Gipfel des Mount-Kenya-Massivs,
dem das Land seinen Namen verdankt. Mit 5200 m ist der Mount Kenya die
höchste Erhebung des Landes und der zweithöchste Berg des ganzen
Kontinents. Hohe Niederschläge in Verbindung mit den fruchtbaren
vulkanischen Böden lassen im Gebirgsland eine üppige Vegetation
gedeihen, so dass es sich als "grünes Herz" von den ausgedehnten
Trockenlandschaften des übrigen Landes abgrenzt. Im Zentrum des
Hochlandes liegt die Hauptstadt Nairobi, eine moderne Wirtschafts- und
Verwaltungsmetropole, deren schachbrettartiger Grundriss und koloniale
Architektur das britische Erbe nicht leugnen können. Das pulsierende
Geschäftsleben in der City und die gepflegten Villenviertel stehen in
scharfem Kontrast zur bitteren Not in den Slumgürteln, die die Stadt
umgeben. Nach Westen fällt das Keniahochland zum Becken des
Victoriasees mit seiner feucht-warmen Küstenebene ab. Im Norden
bestimmen die weiträumigen Savannen und Halbwüsten mit trockener Hitze
das Bild.
Bevölkerung
Die Bevölkerung besteht zu über 60% aus Bantuvölkern (Kikuyu, Luhya, Kamba u. a.) sowie aus Niloten (Luo, Massai, Oromo, Somali); daneben gibt es Araber, Inder und Europäer. Die Bevölkerung bekennt sich zu über 30% zum Christentum; weiterhin gibt es Anhänger von traditionellen Religionen, Muslime und Hindus. Die höchsten Bevölkerungsdichten findet man im gut beregneten Hochland und in der südlichen Küstenregion. Die größten Städte sind Nairobi, Mombasa, Kisumu und Nakuru. Staatssprache ist seit 1974 Kisuaheli, Verkehrs- und Bildungssprache Englisch.
Wirtschaft
Die Landwirtschaft bildet für 3/4 der Bevölkerung die Existenzgrundlage. Für die Ernährung werden u. a. Mais, Weizen, Gerste, Hafer, Bohnen, Süßkartoffeln, Hirse, Zuckerrohr und an der Küste Kokosnüsse produziert. Exportgüter sind: Kaffee, Tee, Pyrethrum, Tabak, Gemüse, Südfrüchte, Schnittblumen und Sisal. Bedeutend ist die Viehzucht (Rinder). Agrarprodukte stellen über die Hälfte der Gesamtausfuhr Kenias. An Bodenschätzen werden bisher Magnesit, Gold, Salz und Soda gewonnen. Kenia verfügt über keine eigenen Energierohstoffe. Dennoch ist die Industrie gegenüber den umliegenden Ländern weiter entwickelt; sie verarbeitet Agrarprodukte und erzeugt Verbrauchsgüter (Möbel, Textilien, Schuhe, Papier u. a.). Größere Bedeutung haben auch Fahrzeugmontage, chemische und Metallindustrie. Das Handwerk hat durch den Tourismus neuen Aufschwung genommen: Holzschnitzereien, Sisalflechtereien und handgeschmiedete Massai-Waffen werden als Andenken angeboten und exportiert. Der Fremdenverkehr mit seiner Spitzenstellung in Afrika ist der wichtigste Devisenbringer des Landes. Er umfasst nicht nur den Badetourismus an der Küste des Indischen Ozeans, sondern auch Safarireisen in die zahlreichen Nationalparks.
Verkehr
Das Verkehrsnetz ist in den südlichen Landesteilen (Hochland) gut ausgebaut, im nördlichen Tiefland ist es dagegen noch kaum entwickelt. Hervorzuheben sind die Ugandabahn mit ihren Abzweigungen im westlichen Hochland, die Rundstraße um den Mount Kenya und die Kap-Kairo-Straße, die Nairobi berührt. Haupthafen ist Mombasa. Gut entwickelt sind die internationalen Flugverbindungen (internationale Flughäfen gibt es in Nairobi und Mombasa) und der Inlandluftverkehr.
Geschichte
Vor
der Kolonisation bildete Kenia keine politische Einheit. 1895 kam das
ganze Land unter britische Kolonialverwaltung. Seit 1902 wurde das
fruchtbare Hochland an weiße Siedler verteilt. Diese europäische
Minderheit förderte und lenkte die wirtschaftliche Erschließung,
besonders nach 1945; 1919 erreichte sie auch Mitsprache in der
Verwaltung. Die afrikanische Nationalbewegung entzündete sich,
besonders unter den Kikuyu, an der Landnot. 1952 brach der
Mau-Mau-Aufstand aus, den England militärisch niederschlug, danach
(1957) wurden politische Reformen eingeleitet. Das Land erhielt 1963
die Unabhängigkeit. Als Regierungspartei setzte sich die Kenya African
National Union (KANU) unter J. Kenyatta durch, die zunächst vorwiegend
eine Partei der Kikuyu und der Luo war; 1966 spaltete sich die
Linkspartei Kenya People's Union (KPU) ab, errang im Luo-Gebiet
Wahlerfolge, wurde jedoch 1969 verboten. Kenyatta wurde 1963
Ministerpräsident und regierte von 1964 bis zu seinem Tod 1978
autokratisch als Staatspräsident. Zu seinem Nachfolger wurde der
bisherige Vizepräsident Daniel Arap Moi gewählt. Dieser versuchte die
Vorherrschaft der Kikuyu und des Kenyatta-Clans abzubauen. Seit Ende
der 1980er Jahre wuchs der Druck auf ihn, Kenia zu demokratisieren.
Gleichzeitig verschlechterte sich die Wirtschaftslage durch
Flüchtlingsströme aus den Nachbarländern und schlechte Ernten. Es kam
zu blutigen Unruhen. Nach einer Verfassungsreform, die ein
Mehrparteiensystem institutionalisierte, fanden 1992 erstmals nach 26
Jahren freie Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Die frühere
Einheitspartei KANU gewann die absolute Mehrheit. Bei den
Präsidentschaftswahlen konnte sich Moi gegen die Kandidaten der
Opposition durchsetzen. Auch bei den Wahlen 1997 wurde er im Amt
bestätigt. Die KANU blieb stärkste Partei. Die Opposition erhob den
Vorwurf der Wahlmanipulation. Ein Terroranschlag auf die
US-amerikanische Botschaft in Nairobi forderte im August 1998 weit über
200 Todesopfer. Im Februar 1999 sorgte die Verschleppung des
Kurdenführers A. Öcalan aus Nairobi in die Türkei für internationales
Aufsehen.
Im Innern führte der wachsende Unmut über die
schlechte wirtschaftliche Lage und die staatliche Korruption 2002 zu
einem Machtwechsel. Mwai Kibaki, Kandidat des oppositionellen
Parteienbündnisses National Rainbow Coalition (NARC), gewann die
Präsidentschaftswahlen, bei denen Moi aus verfassungsrechtlichen
Gründen nicht mehr kandidieren konnte, mit überwältigender Mehrheit der
Stimmen. Auch im Parlament wurde die NARC zur stärksten politischen
Kraft. Damit musste die KANU erstmals seit der Staatsgründung in die
Opposition.
Landesnatur
Dem
Tiefland im Osten steht das Hochland im Westen gegenüber, das durch den
nordsüdlich verlaufenden Ostafrikanischen Graben (Rift Valley) mit dem
Turkanasee im Norden und dem Aberdaregebirge als östlicher Begrenzung
sowie durch zahlreiche erloschene Vulkane (Mt. Kenya 5200 m) stärker
gegliedert ist. Im Westen grenzt das Land an den Victoriasee.
Das
Klima ist tropisch. Die Lage zu beiden Seiten des Äquators bedingt zwei
Regenzeiten: Das kühle Hochland empfängt mit Ausnahme der trockeneren
Grabenzone reichlich Niederschläge und ist mit seinen fruchtbaren
vulkanischen Verwitterungsböden das Hauptsiedlungsgebiet. Im trockenen
Grabengebiet und auf den östlichen Ebenen gedeiht nur Dornsavanne, der
Norden wird von Halbwüste eingenommen.
Mombasa
Alte Hafenstadt in geschützter Insellage – eine faszinierende Symbiose aus Afrika und Orient.
Als
Küstenmetropole am Indischen Ozean mit ausgeprägt
orientalisch-muslimischer Atmosphäre in schwül-heißem Klima – so
präsentiert sich Mombasa heute noch wie seit rund sieben Jahrhunderten.
Für die meisten Besucher Kenias ist diese Stadt das Tor zu den nördlich
und südlich gelegenen Küstenparadiesen und damit zu ihrem eigentlichen
Reiseziel.
Die Stadt mit etwa einer halben Million Einwohner, von
denen rund 70% Afrikaner und der Rest vor allem Asiaten sowie einige
Europäer sind, besitzt den bedeutendsten Hafen an der ostafrikanischen
Küste. Doch nicht nur für die eigene kenianische Ein- und Ausfuhr,
sondern auch für den Außenhandel ost- und zentralafrikanischer Staaten
wie Uganda, Ruanda, Burundi und der Demokratischen Republik Kongo dient
Mombasa als Hauptumschlagplatz.
Längst hat sich die Stadt über
ihre 12 km2 große Insel ausgedehnt, vor allem entlang der nördlichen
und südlichen Küstenabschnitte, aber auch westwärts ins Landesinnere.
Das Koralleneiland ist im Norden über den Makupa Causeway und im Osten
über die New Nyali Bridge mit dem Festland verbunden. Sämtlicher
Verkehr aus der Stadt in Richtung Süden bis hinunter zur tansanischen
Grenze nutzt die Likoni Ferry, die von früh bis spät überlastet ist von
Tausenden Fußgängern, von hoffnungslos überladenen LKW und überfüllten
Bussen. Mit ihrer malerischen Altstadt nahe dem Dhow Harbour, dem alten
Hafen, der immer noch von einigen traditionellen Dhau-Segelschiffen aus
dem Persischen Golf angelaufen wird, hat sich Mombasa orientalisches
Flair bis in die Gegenwart erhalten. Die Dhaus durchqueren die Gewässer
des Indischen Ozeans heute zwar mit kräftiger Dieselunterstützung, doch
immer noch blähen sich die Segel über der Ladung, die oft aus
Baumaterial für die arabischen Länder jenseits des Meeres und aus
Stockfisch für Kenia besteht.
Es ist die lange, wechselvolle
Geschichte, welche diese Küstenmetropole mit ihrer bunten
Völkervielfalt prägt und sie zuweilen auf die Hauptstadt des Landes –
das moderne, hektische und fast traditionslose Nairobi – herabblicken
lässt.
Besichtigung
Die in einer Bucht des Indischen Ozeans
auf einer massiven Koralleninsel errichtete Stadt teilt sich in die Old
Town, die Altstadt, und in einen modernen Teil. Während sich die engen
Gassen der Altstadt im Ostteil der Insel nahe dem Dhow Harbour
verzweigen, liegen Banken, größere Geschäfte, Hotels und Reisebüros im
modernen Zentrum der Insel. Die Gebäude der Altstadt stammen im
wesentlichen aus dem 19. Jh., nur wenige, wie etwa die Mandhry Moschee
von 1570, sind bedeutend älter.
Ich danke dem Bertelsmann Lexikon Verlag für die freundliche Unterstützung dieser Seite.